Unveränderte Übernahme aus dem Katalog von 1985


Die Moos-Flury-Stiftung und das Schlösschen Vorder-Bleichenberg

Das grosse, von einem prächtigen Park umgebene Landhaus in Biberist, das Fritz und Erika Moos-Flury 1932 bezogen, bildete den idealen Rahmen für die Kunstsammlung, die im Laufe der Jahre zu einer repräsentativen Sammlung der Schweizer Malerei des 20. Jahrhunderts anwuchs. Am 25. Januar 1968 errichtete Fritz Moos, zusammen mit seiner Gattin Erika, die «Moos-Flury-Stiftung». Damit konkretisierte sich der Gedanke, der in der Freundschaft, die mich mit Fritz Moos verband, heranreifte. Der Zweck der Stiftung ist, die von den Stiftern mit Liebe und ausgeprägtem Kunstsinn zusammengetragene Gemäldesammlung als Ganzes zu erhalten und sie nach dem Ableben der beiden Stifter in geeigneter Form der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Als geeignete Unterkunftsstätte der 200 Werke umfassenden Sammlung bot sich das Schlösschen Vorder-Bleichenberg an, das aber zu jener Zeit vom Zerfall bedroht war.

Das Schlösschen Vorder-Bleichenberg wurde in den Jahren 1602–1609 von Hieronymus (gest. 1614) und seinem Sohn Johannes II. von Roll (1573–1643) erbaut. Die Familie von Roll war 1495 von Bern nach Solothurn gezogen und spielte hier bis Mitte des 19. Jahrhunderts eine wichtige Rolle. Hieronymus von Roll war Humanist (Lieblingsschüler Glareans an der Hochschule Freiburg i.Br.). Nach seiner Rückkehr aus französischen Kriegsdiensten beschritt er die Ämterlaufbahn und wurde ein grosser Wohltäter des Spitals. Er beabsichtigte, für sich und seine Nachkommen auf dem Bleichenberg einen Stammsitz zu errichten. Zusammen mit seinem Sohn Johannes II. von Roll (Ritter des Heiligen Grabes, Apostolischer Graf und Ritter der goldenen Miliz, später Landvogt zu Lugano) verwirklichte er 1602–1609 seine Absicht. Das Schlösschen, ein markanter rechteckiger Block, weist an den Tür- und Fensterrahmen spätgotische Stilelemente auf. Viel zur Verschönerung des Schlösschens trug Schultheiss Johann Ludwig von Roll (1643–1718), während 66 Jahren Schlossherr auf Bleichenberg, bei. Er baute sein Landhaus zu einem markanten Türmlihaus aus und fügte auch eine Schlosskapelle an. Die Räumlichkeiten versah er mit kunstvollen Decken. Um 1680 entstand der repräsentativste Raum, der Theatersaal, reich dekoriert mit prächtigen Stukkaturen im Wessobrunnerstil. Die Schlosskapelle beherbergte als Altarbild «Die heilige Familie im Früchtekranz» des Solothurner Malers Johann Rudolf Byss (1660–1738). Dieses Gemälde kam 1853 in die Kunstsammlung der Stadt Solothurn. 1816 trat die letzte Besitzerin aus dem Geschlecht von Roll, Anna Ludovika von Roll, das Gut Vorder-Bleichenberg an Graf Martin Johann Joseph Bonaventura von Besenval (1780–1853) ab. Bis 1859 blieb das Schlösschen im Besitz dieser Familie und kam dann in bürgerliche Hände (1859–1868 Johann Hänggi, Kaufmann; 1868–1889 Johann Jakob Marti, Landwirt; 1889–1902 Joseph Gisi von Lostorf, Nationalrat und Bauernführer). 1902 übernahm der Staat Solothurn das Gut von den Erben Gisis und liess es in der Folge von der Strafanstalt aus bewirtschaften. Im Laufe der Jahrzehnte zerfiel das Schlösschen immer mehr. Niemand fand sich zur Übernahme bereit. Der einst so stolze Patriziersitz schien dem Abbruch geweiht zu sein.

Nachdem die Stifter zusätzlich die Schenkung eines hohen Geldbetrages begründet hatten, konnte sich die Moos-Flury-Stiftung an die Restaurierung des Schlösschens wagen. Der Staat Solothurn schenkte 1970 das Schlösschen der Stiftung und räumte ihr am Grundstück ein unentgeltliches Baurecht auf die Dauer von 100 Jahren ein. Namhafte Beiträge stellten uns Bund, Kanton Solothurn, Gemeinde Biberist und Private zur Verfügung. Die delikate Bauaufgabe wurde von der neuen Eigentümerin mit aller Sorgfalt gelöst. Das stark überalterte Schlösschen den neuen Bedürfnissen anzupassen, ohne dessen Gesicht zu verändern, verlangte einerseits viel Einfühlungsvermögen und Achtung vor dem Alten und anderseits die Befähigung, schlechte Zutaten späterer Generationen zu erkennen und zu eliminieren. Im Frühling 1972 konnte das zu neuem Glanz erstandene Schlösschen eingeweiht werden.

Das Schlösschen Vorder-Bleichenberg, Biberist

Mit der umfassenden Restaurierung des Schlösschens Vorder-Bleichenberg mit einem Aufwand von gegen 1 Million Franken wurde nicht nur die Heimstätte für die künstlerisch ausserordentlich gewichtige Sammlung der Moos-Flury-Stiftung geschaffen, sondern zugleich ein Kulturzentrum der Gemeinde und Region. Dieses Kulturzentrum zu einer lebendigen Stätte der Begegnung werden zu lassen, war und ist das Bestreben der Moos Flury-Stiftung und des Vereins der Freunde des Schlösschens Vorder-Bleichenberg, der im Auftrag der Stiftung wechselnde Ausstellungen in- und ausländischer Künstler, Gedenkausstellungen, musikalische und literarische Anlässe organisiert. Das mit der Rettung des Schlösschens von den Stiftern und vom Stiftungsrat gesteckte Ziel ist erreicht: Es ist bekannter und beliebter Treffpunkt der Freunde von Kultur und Kunst geworden. Und dies ist zugleich der tiefe Dank der so reich beschenkten Öffentlichkeit an die Stifter.

Alois Zuber, Gemeindeammann
Präsident der Moos-Flury-Stiftung


Zur Ausstellung und zum Katalog

Erstmals können die Werke der Sammlung der Moos-Flury-Stiftung der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Um das Zustandekommen der Ausstellung haben sich viele Helfer bemüht. Ihnen allen danke ich herzlich, besonders aber Frl. Bertha Moos, der Schwester des Stifters, für ihre zuvorkommende Beratung, den Stiftungsratsmitgliedern Walter Heutschi und Erich Jud, Herrn Willy Hug für die biographischen Notizen über die Stifter, Frau Grety und Herrn Dieter Zimmermann für die Bearbeitung des Kataloges und die Gestaltung der Ausstellung, der Direktion der Papierfabrik Biberist, die uns das Papier für den Katalog geschenkt hat, der Einwohnergemeinde Biberist und dem Verein der Freunde des Schlösschens Vorder-Bleichenberg für die Betreuung der Rahmenveranstaltungen im Zusammenhang mit der Ausstellung.

Alois Zuber


Biographische Notizen zu Fritz Moos und Erika Moos-Flury